Spiegelzauber
Es sollte nur ein schöner Abend mit ihrem Liebsten werden.
Doch während einer Zaubershow wird die biedere Sekretärin Tanja in eine fremde Welt und in einen fremden Körper versetzt – den einer verurteilten Auftragsmörderin.
Ihr Tod ist bereits beschlossen, als ein Zauberer auftaucht, um sie zu retten. Allerdings nicht, um sie in ihr altes Leben zurück zu schicken.
Tanja ist jetzt seine Sklavin und ihr Weg soll als Blutopfer direkt in die Hölle führen.
Wird fortgesetzt in Spiegelmatrix.
Leseprobe
„Sehr verehrte Damen und Herren! Für mein nächstes Zauberkunststück brauche ich einen Helfer oder eine Helferin. Wer von ihnen wäre bereit, mich zu unterstützen?“
Ich drückte mich tiefer in meinen Sitz. Er sollte mich nicht sehen, dieser Zauberer. Ich wollte auf keinen Fall auf die Bühne. Vor Publikum war ich immer schrecklich ungeschickt. Schon in der Schule hatte ich sämtliche Prüfungen verpatzt, zu denen ich an die Tafel gerufen worden war.
„Wie wäre es mit der Dame in Pink?“
Ich duckte mich hinter den breiten Rücken meines Vordermanns.
„Nicht so schüchtern!“
Richard stieß mich an.
„Der meint dich, Tanja.“
„Wie wäre es mit einem Applaus als Ermutigung.“
Der ganze Saal fing an rhythmisch zu klatschen. Ich wollte weg. Weit weg. Irgendwohin an einen einsamen Ort, wo mich niemand kannte.
„Komm schon, tu es für mich! Ich möchte dich in diesem Kleid auf der Bühne sehen!“
Richards Hand strich über meinen Nacken. Ich konnte den Hauch seines warmen Atems auf meiner Haut spüren, während er in mein Ohr flüsterte.
Warum hatte er mir dieses verdammte Kleid gekauft! Es war viel zu eng geschnitten und dann noch diese auffällige Farbe!
„Du schaffst das!“
Er drückte meine Hand, schob mich regelrecht von meinem Sitz hoch. Der Applaus schwoll an.
‚Bitte Gott, lass mich jetzt nicht umknicken.’
Langsam stieg ich das Treppchen zur Bühne hoch. Ich wagte nicht, mich schneller zu bewegen. Die Bleistiftabsätze waren so wacklig, dass bei jedem Schritt Bilder, von einer in dekorativem Pink vor die Füße des Zauberers fallenden Tanja, in meinem Geist entstanden.
Warum hatte Richard darauf bestanden, diese Zaubershow zu besuchen?
„Magic Martigan ist total angesagt. Der macht Sachen, das hast du noch nicht gesehen.“
Bis jetzt hatte der Zauberer aber noch nichts wirklich Außergewöhnliches geboten. Sicherlich, er hatte statt einem Kaninchen eine Schlange aus seinem Hut geholt. Eine richtig große Riesenschlange. Aber sonst ...
Der Zauberer griff nach meiner Hand und half mir den letzten Schritt auf die Bühne. Ich hatte es geschafft, auf den Füßen zu bleiben.
„Nun hat unsere Lady in Pink doch noch auf die Bühne gefunden!“, rief der Zauberer und das aufbrandende Gejohle trieb mir die Hitze in die Wangen.
„Wie heißen sie?“
Ich räusperte mich. Meine Kehle fühlte sich an, als wäre sie aus Papier.
„Tanja.“
„Einen Extraapplaus für Tanja!“
Der Zauberer drehte mich so, dass ich ins Publikum sehen musste. Mein Gesicht glühte. Wahrscheinlich war ich inzwischen rot wie eine Tomate und die Farbe meiner Wangen biss sich mit der meines Kleides. All mein Blut musste in den Kopf gestiegen sein, denn mein Magen war ein einziger kalter, harter Klumpen.
Mit seiner erhobenen Linken bat Magic Martigan um Ruhe. Mit der Rechten hielt er mich fest, als wollte er verhindern, dass ich im letzten Moment die Flucht ergriff.
„Geschätztes Publikum! Auch wenn diese reizende Dame ein Augenschmaus ist, so muss ich sie nun doch vor ihnen verstecken. Sehen sie diesen Kasten!“
Er deutete mit seiner Linken auf einen hohen Kasten. Er war aus dunklem Holz und sah kaum anders aus als die Kästen, die von Dutzenden anderen Zauberern benutzt wurden.
„Sehen Sie genau hin, meine Damen und Herren! Jede einzelne dieser Wände ist aus massivem Holz.“
Die Assistentin klopfte lautstark auf die Wände des Kastens. Zwei muskelbepackte Kerle kamen auf die Bühne geeilt, kippten den Schrank, packten ihn an den Enden und drehten ihn einmal um die eigene Achse. Dann stellten sie ihn wieder auf. Währenddessen ging der Zauberer auf den Kasten zu. Da er mich nicht losließ, blieb mir nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Sein Griff war fest, beinahe schmerzhaft. Ich versuchte mich loszumachen und gleichzeitig die Balance auf den hochhackigen Schuhen zu halten. Ein Ding der Unmöglichkeit! Ich musste mit ihm mitgehen, oder ich würde der Länge nach hinschlagen.
„Können Sie sich vorstellen, dass ein Mensch aus diesem Kasten verschwinden kann? Nein? Ich auch nicht.“
Gelächter im Publikum. Ich wünschte mich ebenfalls ins Publikum. Zu gerne würde ich zusehen, wie jemand anders diesen Kasten betrat.
„Um es noch ein wenig schwieriger zu machen, habe ich mir etwas Besonderes ausgedacht.“
Die beiden Muskelmänner brachten Gurte und Seile an dem Kasten an, der mich mit einem Mal an einen Sarg erinnerte. Das Atmen fiel mir schwer, wenn ich daran dachte, eingesperrt zu werden. Ich wollte dort nicht hinein.
Mach dich nicht lächerlich, mahnte ich mich. Was soll passieren? Das ist ein uralter Trick. Hunderte Zauberer haben ihn schon aufgeführt. Ich bohrte die Fingernägel in die Handflächen, damit mich der Schmerz ablenkte. Gott, wäre das peinlich, wenn ich jetzt die Nerven verlor und kreischend von der Bühne stolperte, nur weil ich mich vor diesem dämlichen Kasten fürchtete. Oder noch peinlicher – ich könnte das Gleichgewicht verlieren, fallen und dem Dicken in der ersten Reihe direkt in den Schoß fallen.
„Meine Damen und Herren, sehen Sie genau hin. Wir werden jetzt den Kasten ein wenig anheben. Beachten sie die Lücke zwischen Kasten und Bühne. Keine Falltür! Kein doppelter Boden! Sehen Sie wahre Magie!“
Die Muskelmänner hielten den Kasten, der Zauberer und seine Assistentin halfen mir hinein. Obwohl halfen nicht das richtige Wort war. Sie schoben und hoben mich. Merkte niemand, dass ich vor Angst steif wie ein Brett war? Falls es irgendjemandem auffiel, störte er sich nicht daran.
Ich hielt mich an den Seitenwänden fest, drehte mich um und blickte hinaus ins Publikum. Richard stand da und grinste breit, beide Daumen erhoben. Er bückte sich kurz zu seinem Nachbarn, sagte etwas, deutete in meine Richtung und hielt dann wieder die Daumen hoch.
Sah niemand die Panik in meinem Gesicht? Schon machte sich der Zauberer daran die Tür zu schließen. Ich wollte hinausspringen, doch meine Füße gehorchten nicht. Ich wollte schreien, doch mein Mund blieb geschlossen.
„Machen Sie es gut“, sagte der Zauberer. Dann wurde es dunkel.
Was hatte er damit sagen wollen? Musste ich etwas tun? Er hatte mir keine Anweisungen gegeben. Oder wollte er damit ausdrücken, dass er nicht sicher war, dass alles gut gehen würde?
Das Schwanken des Kastens hatte aufgehört. Stimmte etwas nicht? Wurde ich gar nicht mitsamt meinem Holzgefängnis zur Saaldecke hochgezogen? Es war dunkel und still. Obwohl ich nicht in Gefahr war zu ersticken, war mir, als würde ein schweres Gewicht auf meinem Brustkorb liegen und mir die Luft abdrücken. Ich rang verzweifelt nach Atem, betete, dass die Zeit schneller vorbeigehen möge. Lange konnte ich die Dunkelheit und die Enge nicht mehr ertragen.
Vorsichtig drückte ich gegen die Tür. Als sich nichts regte, schlug ich mit meinen Fäusten gegen das Holz. Es war so unnachgiebig wie eine Mauer. Ich war eingemauert! Mit einem Aufschrei machte ich einen Schritt nach hinten – und geriet ins Taumeln.
Dort wo die Rückwand des Kastens hätte sein sollen, war nichts mehr. Ich drehte mich um die eigene Achse, versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen, tastete nach dem Kasten. Er war verschwunden. In einer Richtung glaubte ich die Andeutung eines Lichtschimmers zu erkennen. Unsicher stolperte ich darauf zu.
Es war, als würde ich durch dichten, grauen Nebel gehen. Unwillkürlich reckte ich meine Hände nach vorne. Manchmal glaubte ich Schemen zu erkennen, griff nach ihnen, doch sie waren nichts anderes als Nebelschwaden.
„Hallo! Ist da jemand!“
Kein Laut. Nicht einmal ein Echo. Es war, als würde der Nebel meine Stimme verschlucken.
„Hallo!“, versuchte ich es zaghaft noch einmal. Die Verzweiflung drückte mir die Kehle zu.
Tränen verschleierten meinen Blick. Ich wollte nach Hause. Wollte in Richards Armen liegen. Er sollte mich festhalten, mir sagen, dass alles gut war, dass ich nur geträumt hatte. Aber ich war immer noch in diesem Nichts aus Schatten und Nebel.
„Richard“, wimmerte ich und verschluckte mich vor Schreck, als meine Hände auf etwas Festes stießen. Eine Tür!
Ich musste husten, während ich verzweifelt nach der Klinke suchte. Vergeblich. In dem Versuch mehr zu sehen, reckte ich meinen Kopf nach vorne, bis ich mit der Nase gegen die Oberfläche stieß. Erschrocken aufgerissene Augen starrten mir entgegen. Laut aufschluchzend sank ich zusammen, als ich erkannte, was ich vor mir hatte: Einen Spiegel!
Waren fünf Minuten vergangen oder fünf Stunden? Ich wusste es nicht, hatte mein Zeitgefühl vollständig verloren. Unsicher rappelte ich mich hoch und wischte mir mit einer Hand die Tränen aus dem Gesicht während ich mit der anderen nach dem Spiegel tastete. Er gab mir wenigstens ein bisschen Halt.
Ohne den Kontakt zu dem einzigen festen Gegenstand in diesem Nebel aufzugeben, setzte ich langsam einen Fuß vor den anderen. Dem ersten Spiegel folgten weitere und mit jedem Spiegel wurde es heller. Sie reihten sich in den unmöglichsten Winkeln aneinander, bis sie mich vollkommen umgaben.
Wo ich auch hinblickte, ich sah mich. Von vorne, von hinten, von der Seite. Eine Frau Anfang Vierzig mit blondiertem, langem Haar, einem rundlichen Gesicht und braunen Augen. Ich fühlte mich orientierunglos, in meinem Kopf drehte sich alles. Ich wollte nur noch hier raus.
Als mein Bild in den Spiegeln verschwamm, dachte ich zuerst, es läge an den Tränen, die meine Augen füllten. Doch dann formten sich die bunten Schlieren zu einer verzerrten Fratze. Die Haut spannte sich über den Knochen. Unter den violetten Augen lagen tiefe Schatten. Auf dem kahl rasierten Schädel ringelten sich zischende Schlangen. Sie krochen auf die Schulter herunter und wanden sich um die Arme.
Ich wollte zurückweichen, doch meine Beine gehorchten mir nicht. Meine verräterische Hand wanderte über den Spiegel, näherte sich ihrem sehnigen, vernarbten Gegenstück. Dann berührten sich die Fingerspitzen. Der Boden erbebte, die Spiegel begannen zu kreisen. Sie tanzten wie ein verrückt gewordenes Spiegelkarussell um mich herum. Immer schneller und schneller drehte sich dieses Karussell. Mir war als würde mein Innerstes nach außen gekehrt. Nein, das war nicht richtig. Es war als würde ich aus meinem Innersten herausgerissen. Danach kam die Dunkelheit.
Leserstimmen
Die spannende Handlung hat mich von den ersten Seiten bis zum Schluss in ihren Bann gezogen, und die interessanten Figuren sind mir beim Lesen immer mehr ans Herz gewachsen. Teil zwei werde ich sicher auch bald lesen!
Mitreißende Geschichte über Magie und Intrige.
Ein sehr spannender Fantasyroman, der alles hat, um der Realität zu entfliehen. Man wird mit hineingezogen in diese Welt, in der alles so ganz anders ist. Sie besteht aus mutigen Magielehrlingen und durchaus liebenswerten Dämonen. Schon bald wird klar, dass sich die Hauptfigur Tanja mit ihrer Situation schnell abfinden muss, um überleben zu können. Flüssig geschrieben und mit gut durchdachtem Hintergrund gibt es eine klare Leseempfehlung.
Dieses Buch könnte ich mir auch gut als Film vorstellen!