Neun Monate sind viel zu kurz

Eine kleine Katze hat mich so beeindruckt, dass ich ihr ein ganzes Buch gewidmet habe.

Sie hat mich dazu gebracht, ein neues Kapitel in meinem Leben aufzuschlagen und zu meinen spirituellen Überzeugungen zu stehen.

Sie hat mich Mut gelehrt und mir gezeigt, dass es sich auszahlt, über den eigenen Schatten zu springen. 

Leseprobe

 
Nein, es geht nicht um eine Schwangerschaft, aber das habt ihr euch wohl schon gedacht. Dieses Büchlein ist eine Hommage an eine Katze, die über ihren eigenen Schatten gesprungen ist. Und eigentlich hat es doch mit einer Geburt zu tun. Mit einer geistigen Geburt. Mit meiner nämlich. Denn diese kleine Katze hat mich dazu gebracht, ebenfalls über meinen Schatten zu springen und den nächsten Schritt auf meinem spirituellen Entwicklungsweg zu machen. 
Von ihrer Geburt und ihren ersten Jahren weiß ich nicht viel. Sie wurde als Streunerin eingefangen, kastriert und war eineinhalb Jahre im Tierheim. Dort galt sie als unvermittelbar, weil dem Menschen nicht zugetan. Sie wollte sich nicht anfassen lassen, hat vielleicht sogar gekratzt und auch gebissen. Ich weiß es nicht, denn damals kannte ich sie noch nicht. 
Ich ahnte noch nichts von einer kleinen Schildpattkatze mit zweigeteiltem Gesicht und einer hellen Schwanzspitze und ich empfand auch nicht den Wunsch, mir eine zweite Katze zuzulegen. Schließlich hatte meine Jolie nach zwölf Jahren als Stallkatze meine Wohnung erobert und da ich bereits mehrfach den Tierarzt bezahlen musste, weil sie sich mit anderen Katzen gestritten hat, kam es nicht in Frage, sie mit einer weiteren Samtpfote zu ärgern. Aber das ist eine eigene Geschichte. 
Die Katze von der ich euch erzählen möchte, kam im Winter 2022 zum Reitclub. Die Assistentin unserer Tierärztin hat sie aus dem Tierheim mitgenommen, weil sie ihr leidtat. Die ehemalige Streunerin, die ihre Freiheit gewohnt war, auf eineinhalb Quadratmeter beschränkt. Mir tat sie auch leid, weil sie zunächst in dem Raum eingesperrt wurde, in dem bei den Turnieren die Gastronomie untergebracht ist. Aber so war es sicherer. Aufgrund ihrer Menschenscheu und sicherlich auch aufgrund der Furcht vor dem fremden Ort, wäre sie sicherlich davongelaufen und womöglich erfroren. 
Sie war so scheu, dass sie in dem großen Raum niemand zu Gesicht bekam. Da jedoch das Futter verschwand, war sie wohl noch da. Nach mehreren Wochen wurde riskiert, die Katzenklappe in der großen Tür zu öffnen. Das Futter verschwand weiterhin. Schonmal ein gutes Zeichen. Eine Wildkamera wurde angebracht, um sicher zu gehen, dass die richtige Katze das Futter fraß, denn das Mauzilein bekam niemand zu Gesicht. 
Erst nach mehreren Wochen ließ sie sich hin und wieder im Strohlager blicken, aber es gelang stets, nur einen kurzen Blick auf sie zu erhaschen. Ein dunkler Schatten, ein Huschen, ein leises Rascheln. Das war die längste Zeit alles, was auf die Anwesenheit des Mauzis hindeutete. Ich war die Erste, die es schaffte, ein Foto von ihr zu machen. Es war ziemlich verschwommen, weil ich bei meinem Handy den Zoom maximal ausnützen musste, um die Katze auf das Bild zu bekommen. Sie hockte auf dem Gestell, an dem der Hafersilo montiert ist und spähte aus sicherer Entfernung auf mich herunter. 
Im Juni fand ein Reitturnier statt. So ein Turnier ist mit ziemlich viel Trubel verbunden. Viele fremde Menschen, Musik, die über die Anlage dröhnt, Lautsprecheransagen. Das war dem scheuen Mauzi wohl zu viel Unruhe, denn sie verschwand. Das Futter wurde nicht mehr angerührt und sie kam auch nach dem Turnier nicht mehr zurück. 
Ich dachte eigentlich, das wäre bereits unsere ganze gemeinsame Geschichte gewesen, doch im Herbst sah ich sie gelegentlich in der Siedlung, in der Nähe des Reitstalls. Ich dachte mir, sie wäre als Kostgängerin irgendwo untergekommen, dann jedoch ist sie Mitte Dezember in meinem kleinen Stall nur hundert Meter vom Reitclub entfernt, aufgetaucht. 
Mein Stallist nicht mehr als ein alter Heustadel, den ich als Offenstall für meine beiden Stuten ausgebaut hatte. Bei den Pferden sind die Ritzen abgedichtet, und innen eine zusätzliche Bretterschicht angebracht, sodass sie sich vor den Elementen schützen können, wenn sie das wollen. Vor den Eingängen hängen Plastikstreifenvorhänge, die es ihnen ermöglichen, ganz nach Wunsch zwischen Stall und Auslauf zu wechseln. 
In der zweiten Hälfte des Stadels sind das Futter und die Pferdedecken untergebracht. Dort hatte ich mir nicht die Mühe gemacht, alles abzudichten. Dadurch ist es heller und die Sonne findet auch ihren Weg in das Innere des Stadels. Also gibt es mehr als genügend Lücken, durch die eine kleine Katze schlüpfen kann. 
Zunächst tauchte sie direkt im Stall auf und dezimierte als erstesdie Mäusepopulation, während ich mit den Pferden unterwegs war. Regelmäßig sauste eine kleine braun-schwarze Katze aus dem Stall, wenn ich mit den beiden Stuten zurückkam. Ich war ganz froh darüber, denn wer schon mal ein altes Pferd gehabt hat – und meine Haflingerstute Jessy war damals bereits vierunddreißig – weiß, dass sie nicht nur Spezialfutter brauchen, sondern, dass ihnen auch beim Fressen sehr viel aus dem Maul fällt. Natürlich zur Freude der Mäuse, die sich unverhältnismäßig vermehrt hatten. Zunächst also mehr als genug zu fressen, für die kleine Katze. 
Das Jahr schritt voran und die kleine Schildpattkatze zeigte sich immer häufiger in der unisolierten Hälfte des Stadels, die ich mangels eines besseren Begriffs als mein Futterkammerl bezeichne. Die Verkleinerungsform -erl deshalb, weil es nicht besonders groß und deshalb stets gut vollgeräumt ist. Trotzdem war noch Platz für eine kleine Katze, die unter den Pferdedecken und der alten Schubkarre, in der ich etwas Reserveheu aufbewahrte, vor der Kälte des herannahenden Winters Schutz zu suchen. 
Und da begann unsere Reise …