Bittersüße Träume

Es sollte der perfekte Tag sein, doch dann kommt alles anders.

Mit ihrem Lebenspartner Bernhard möchte Rosina eine Konditorei eröffnen und die selbstgemachten Torten kredenzen.

Doch dann erhält Rosina eine schreckliche Nachricht. Bernhard ist mit dem Auto tödlich verunglückt. 

Aber ist er wirklich für immer fort? 

Das Buch ist nur mehr direkt bei mir erhältlich

Leseprobe

 
Schwarzwälder Kirsch, Sacher, Käsesahne, die Nusstorte nach Großmutters Rezept, Fruchtschnitten ...
Zufrieden glitt Rosinas Blick über das Kuchenbuffet, dann stockte ihr Herz. Die Rosentorte fehlte. Wie hatte sie nur vergessen können, den Karton einzupacken? Ausgerechnet diese Kreation, die sie mitten in der Nacht aus dem Bett getrieben hatte?
Sie hatte zwei von diesen Torten gebacken. Eine zum Probieren und eine für die Eröffnung ihrer kleinen Konditorei. Sie erinnerte sich noch zu gut an Bernhards vom Schlaf verknittertes Gesicht, als sie ihn um drei Uhr morgens geweckt hatte.
„Kosten“, hatte sie ihm befohlen und gespannt auf seine Reaktion gewartet. Jetzt noch sah sie seine konzentrierte Miene vor sich, wie er den Bissen, den sie ihm hinhielt in den Mund nahm, sich den mit Nuss und Marzipan verfeinerten Teig auf der Zunge zergehen ließ und das Stückchen rosaroten Zuckerguss, das daran haftete knirschend mit den Zähnen zerbiss.
Er atmete tief durch, sog das Aroma dabei tief in den Rachen, rollte es an seinem Gaumen und ließ dann die Luft ganz langsam wieder durch die Nase entweichen.
„Das ist unglaublich! Die Nüsse machen sie wunderbar saftig. Und da ist noch dieses Aroma. Ich kann es nicht festmachen. Es hat etwas von einem Parfüm an sich, aber nur ganz dezent, nicht so dass es stören würde.“
„Rosenöl. Ich habe Rosenöl hineingetan.“
„Das ist genial!“ Bernhard setze sich im Bett auf und küsste Rosina auf den Mund. In seinem Atem lag ein Hauch von Rosenduft. „Das wird morgen bei der Eröffnung der absolute Clou!“
„Heute“, korrigierte ihn Rosina. „Die Eröffnung ist heute.“
Bernhard warf einen Blick auf den Radiowecker und hob dann die Schultern.
„Dann eben heute. Ist doch egal. Du bist ein Genie. Wie bist du nur auf diese abgefahrene Idee gekommen?“
„Ich habe es geträumt. Normalerweise vergesse ich immer alles, was ich träume, aber diesmal war das Rezept in meinem Kopf, als ich wach wurde und ich musste einfach aufstehen und es ausprobieren.“
„Du bist eine echte Traumfrau. Weißt du das?“
Bernhard fasste Rosina um die Taille und zog sie näher. Unter der Küchenschürze trug sie immer noch ihren Pyjama. Ihre Haare waren unter einer Haube verborgen, damit auch keines von ihnen sich verräterischerweise in den Teig schleichen konnte.
„Genau so sieht eine Traumfrau aus. Klar!“, lachte sie und stellte den Kuchenteller auf dem Nachttisch ab, während Bernhard an der Schleife ihrer Schürze nestelte.
„Sinchen“, sagte er leise, während er sie mit dem leichten Druck seiner Hände dazu brachte, sich zu ihm herunterzubeugen, damit er ihr die Küchenschürze über den Kopf ziehen konnte. „Was auch immer sich andere Leute unter einer Traumfrau vorstellen, ist mir vollkommen egal. Du bist die meine – und“, er linste wieder zum Radiowecker, „wir haben noch zwei Stunden Zeit.“


„Was ist los? Warum guckst du so entsetzt?“
Abrupt wurde Rosina wieder in die Gegenwart gerissen. Bernhard stand neben ihr und beäugte sie von der Seite.
„Ich habe die Rosentorte vergessen.“
„Oh, nein!“
„Doch! So ein Mist. Und jetzt ist es zu spät.“
Bernhard linste zur Uhr.
„Eine halbe Stunde. Das schaffe ich locker.“
Er schnappte sich den Autoschlüssel vom Tresen und war schon auf dem Weg zur Tür.
„Bernhard, bitte! Es ist zu knapp. Du wirst zu spät zur Eröffnung kommen.“
Doch er ließ sich nicht umstimmen.
„Ich schaffe es, keine Sorge. Ich bin pünktlich da. Und wenn ich ein paar Minuten zu spät komme, dann musst du die Gäste eben inzwischen alleine unterhalten. Du schaffst das schon.“
 „Bernhard! Bitte! Heute kommen doch sowieso nur unsere Freunde und Verwandten. Die können die Torte doch auch ein anderes Mal kosten.“
Doch er schüttelte energisch den Kopf.
„Gerade ihnen darfst du auf keinen Fall diesen Traum von einer Torte vorzuenthalten.“
Rosina lief ihm noch bis auf die Straße nach, versuchte ihn umzustimmen, aber wenn Bernhard sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war er ebenso schwer aufzuhalten wie ein Eilzug.


Rosina lehnte an der Hauswand und sah noch eine Weile den sich entfernenden Rücklichtern von Bernhards Wagen nach, dann ließ sie den Kopf gegen die kühle Mauer fallen und schloss die Augen. Er wird rechtzeitig da sein, versuchte sie sich einzureden. Es wäre auch wirklich schade um die Torte. Bestimmt wird alles glatt gehen.
Schließlich stieß sie sich von der Wand ab, blieb noch einen Moment stehen, sah zur Festung Hohen Salzburg hinüber, die über den Dächern der Stadt thronte. Das hatte ihnen an diesem Standort besonders gefallen. Obwohl er ein gutes Stück vom Zentrum entfernt war, konnte man die alles dominierende Festung gut sehen. Sie war als Fluchtburg für die Erzbischöfe erbaut worden und im 16. Jahrhundert hatte man einige Räume als ‚Fürstenzimmer’ ausgebaut, damit die hohen Herren auch in Kriegszeiten schön wohnen konnten.
Nach einer Weile drehte sie sich um und starrte den Schriftzug über dem Eingang an. ‚Rosinas Konditorei’, stand dort in schokoladebraunen rosarot umrandeten Lettern. Darunter, kleiner: Inhaber Rosina Braun und Bernhard Weißecker. Bernhard hatte darauf bestanden, dass die Konditorei Rosinas vollen Namen trug. Er war dagegen gewesen die Kurzform zu verwenden und von einer Kombination mit seinem eigenen Namen wollte er schon gar nichts hören.
„Rosina passt einfach“, hatte er behauptet. „Das passt wie die Rosinen in den Gugelhupf.“
Er hatte auch immer behauptet, ihre Augen hätten genau dasselbe Braun wie Rosinen und ihr Mund schmecke ebenso süß.
„Na, ist schon offen?“
Eine vertraute Stimme riss Rosina aus ihren Gedanken. Sie öffnete die Augen und stieß sich von der Mauer ab. Anna war wie immer überpünktlich. Ihre dunklen Locken waren in einem Knoten gebändigt, der schlanke Körper durch ein hellblaues Kostüm perfekt zur Geltung gebracht. Rosina beneidete sie um die Fähigkeit, in jeder Situation wie aus dem Ei gepellt auszusehen. Sie selbst hatte Probleme ihr Haar zu bändigen, verschmierte sich stets das Make-up und egal was sie anzog, sie kam sich neben ihrer Freundin immer schlampig gekleidet vor.
„Der offizielle Beginn ist erst um sechs“, sagte Rosina nach Umarmung und Küsschen, „aber komm ruhig schon mal rein.“
Natürlich fragte Anna sofort nach Bernhard und natürlich musste sie alles über die Traumkreation wissen.
„Die muss ich kosten“, quietschte sie.
Rosina sah auf die Uhr. Noch zehn Minuten.
Bald schon trafen die nächsten Gäste ein. Rosina begrüßte jeden einzelnen und entschuldigte Bernhard. Hektisch flatterte sie von einem zum anderen und sah immer wieder aus dem Fenster, in der Hoffnung, Bernhards Wagen möge auf der Straße auftauchen.
„Tief durchatmen“, riet ihr Nadine. Sie hatte eine auf Esoterik spezialisierte Buchhandlung und roch stets ein wenig nach Räucherwerk. Ihre Vorlieben galten eher der Vollwertkost als Süßigkeiten, aber Rosina zuliebe war sie zur Eröffnung gekommen.
Als schließlich auch noch die große, blonde Vanessa mit ihrer neuesten Eroberung im Schlepptau eintraf, war das ungleiche Kleeblatt, wie Rosina sich und ihre drei Freundinnen gerne nannte, perfekt. Anna das ‚Püppchen’, Nadine die ‚Biotante’, Vanessa das ‚Modell’ und Rosina die ‚Kuchenbäckerin’ hatten sich auf einem Kurztrip nach Venedig kennen gelernt. Nach dem Urlaub war der Kontakt nicht nur bestehen geblieben, sondern mit den Jahren immer enger geworden.
Wenige Minuten nach Vanessa trafen Bernhards Eltern ein, fragten nach ihrem Sohn und lächelten, als Rosina den Grund für seine Abwesenheit schilderte.
„Das ist wieder einmal typisch für ihn.“
Dann schlugen die Glocken der nahen Kirche zur vollen Stunde. Von Bernhard immer noch keine Spur.
„Er kommt sicher bald“, meinte sein Vater. Er war eine ältere Version von Bernhard. Man musste sich nur zehn Kilo wegdenken, die grauen Strähnen im hellbraunen Haar und die feinen Fältchen in seinem Gesicht ignorieren.
Fünf Minuten später ging die Tür auf. Doch es war nur Rosinas Mutter. Rundlich, mit auftoupiertem Haar und wogendem Busen eilte sie auf ihre Tochter zu und drückte sie.
„Tut mir leid, mein Schatz.“
Es folgte eine lange Erklärung, warum sie es wieder einmal nicht pünktlich geschafft hatte. Rosina unterdrückte einen Seufzer.
„Macht doch nichts, Mama. Hauptsache du bist da.“
Nur Bernhard war immer noch nicht da.
Rosina wurde immer unruhiger. Sie nickte nur geistesabwesend als jemand neben ihr von der akademischen Viertelstunde sprach. Ihre Augen flogen zwischen der Uhr und der Eingangstür hin und her. Die Gäste warteten ebenfalls ungeduldig. Mehr als ein Augenpaar richtete sich immer wieder verlangend auf das Kuchenbuffet.
„Du hast dich selbst übertroffen“, raunte Vanessa in Rosinas Ohr.
„Die Hälfte der Torten ist von Bernhard“, berichtigte Rosina, reckte sich und spähte durch die Glasscheibe nach draußen, ob sie irgendwo Bernhards dunkelblauen Kombi entdecken konnte.
Gerade fuhr ein weißer Mercedes vorbei, ihm folgten ein roter Mini und ein schwarzer Audi – doch kein dunkelblauer Kombi.
„Er wird schon noch kommen“, sagte Vanessa und legte Rosina begütigend die Hand auf die Schulter.
Wird er nicht. 
Rosina zuckte zusammen, so sehr erschrak sie vor ihren eigenen Gedanken. Bernhard musste kommen. Er durfte sie nicht im Stich lassen. Vielleicht hatte er eine rote Welle erwischt. Vielleicht war der Kombi nicht gleich angesprungen. In letzter Zeit machte er manchmal Mucken. 
Sie riss sich zusammen. Es war Zeit die Gäste offiziell zu begrüßen. Das hatte eigentlich Bernhard übernehmen wollen. Der Zettel mit den Stichworten, die er für seine kleine Rede zurecht gelegt hatte, steckte in seiner Jackentasche. Krampfhaft überlegte Rosina, was sie sagen sollte. Sie überlegte immer noch, als sie mit einem Löffel gegen ein Glas klopfte. 
„Liebe Freunde, Verwandte, Bekannte und Verehrer süßer Backwaren ...“, mit letzterem erntete sie Gelächter, „... da Bernhard mit unserer neuesten Kreation noch nicht zurückgekehrt ist, müsste ihr euch leider mit althergebrachten Torten und Kuchen begnügen. Da ich sehen kann, wie schwer es euch fällt, dem Buffet fern zu bleiben, will ich meine Rede kurz halten. Ich freue mich, dass ihr so zahlreich erschienen seid und hoffe, dass ihr uns nicht nur bei der Eröffnung mit eurer Anwesenheit beehrt. Wenn es euch bei uns gefällt, dann empfehlt uns weiter. Vorerst jedoch kann ich euch nur eines raten: Lasst es euch schmecken!“ 
Rosina atmete auf, als der Applaus verklungen war und sich die Anwesenden geschlossen dem Buffet zuwandten. 
„Wie du das immer wieder schaffst.“ Ein Hauch von Neid klang in Annas Stimme mit. „Oder hast du dir eine Rede vorbereitet, für den Fall dass du einspringen musst?“ 
Rosina schüttelte den Kopf. Ihr Mund war trocken, ihr Hals fühlte sich an, als wäre er aus Papier und ihr Herz raste. Sie hörte ihrer Freundin kaum zu. Wieder glitt ihr Blick zur Uhr. 
„Anna, er müsste längst da sein.“ 
Rosina fühlte sich fiebrig. Sie konnte nicht ruhig halten. Ihre Handflächen waren feucht vom kalten Schweiß. 
Anna versuchte sie zu beruhigen: „Vielleicht hat er eine Autopanne.“ 
„Dann hätte er mich angerufen.“ 
„Und wenn der Akku aus ist?“ 
Rosina schüttelte den Kopf. 
„Er hätte einen anderen Weg gefunden."

 

Leserstimmen

 Eine sehr schöne Geschichte und auch toll geschrieben. 


 Die Autorin hat ein sehr gefühlvolles Buch geschrieben, welches unter die Haut geht. Der Erzählstil ist sehr ergreifend und ich konnte mich sehr gut in Rosina hinein versetzen. Sie hat es geschafft, sich mit dieser Geschichte in mein Herz zu schreiben. Ein wunderbares Buch über die Liebe und den Verlust.


 Die Geschichte an sich war total schön und emotional, das Thema war wundervoll umgesetzt


 Den Schreibstil fand ich von Anfang an toll, es ist mir gut gelungen, in die Geschichte hineinzufinden und ich konnte mich sehr schnell mit Rosina identifizieren, sie war eine sehr sympathische und interessante Protagonistin und es hat mir gut gefallen, sie ein wenig zu begleiten. Das Buch war verständlich geschrieben und ich konnte es leicht und flüssig lesen, die Sprache war aussagekräftig und passend.