Salzburgs Vampire
Als der sechsjährige Andi gefragt wird, was er einmal werden möchte, antwortet er: "Vampir."
Kein Wunder, schließlich ist er bereits mit Vampiren aufgewachsen ...
Die Bände sind als Ebooks erschienen.
Leseprobe
Andy vertiefte sich wieder in sein Buch. Als Julia aufstand, um den Fragebogen zu Richard zu bringen, folgte er ihr auf den Gang hinaus, blieb jedoch am Fenster zum Regenerationsraum stehen und betrachtete die glatte, unbewegte, dunkelbraune Erde in der Wanne. So wie andere Kinder Bohnen pflanzten und dann ungeduldig auf das Sprießen des ersten Blattes warteten, so wartete Andy auf die ersten Regungen des Vampirs. Und war da nicht ein winziges Beben in der krümeligen Schicht, eine leichte Einbuchtung, wo vorher eine ebene Fläche gewesen war? Ragte nicht ein gelb-braun verfärbter Fingernagel aus der Vertiefung? Unwillkürlich zuckte Andy zurück, als plötzlich eine Hand aus der Erde schoss und blind in der Luft herumtastete. Aber er fing sich sofort wieder.
„Onkel Paul, ich glaube der Roman wacht auf“, rief er, konnte den Blick jedoch nicht von der dunklen, vertrockneten Mumienhand lassen. Als Paul mit langen Schritten den Gang entlang geeilt kam und in den Regenerationsraum trat, wollte er ihm folgen. Doch Paul hielt in zurück.
„Wir wollen Roman nicht unnötig in Versuchung führen, also bleib lieber draußen.“
Mit wachsender Faszination beobachtete Andy, wie Paul Roman trinken ließ, wie der vertrocknete Vampirkörper wieder in die Erde zurücksank und diese sich unter leichtem Beben glättete.
„Na, Kleiner, war dir auch nicht langweilig?“, fragte Julia, als sie zurückkam.
Andy schüttelte energisch den Kopf.
„Stell dir vor, Roman hat gerade zum ersten Mal getrunken.“
Andys Wangen glühten, als er sich zu Julia umdrehte.
„Ich hoffe, er war dir nicht lästig, Paul?“
„Aber nein. Ist eine nette Abwechslung. Wir haben hier ja nicht so viele Kinder.“ Er grinste. „Wie liefen deine Tests?“
„Sehr gut. Ich bin schon beinahe so gut im Erkennen von Krankheiten wie du.“
Paul wollte gerade etwas antworten, als hinter ihnen im Korridor Stimmen laut wurden.
„Das ist Willkür! Ihr Arschlöcher, lasst mich sofort los!“
„Du wirst Paul und Richard Rede und Antwort stehen müssen.“
„Ich habe nichts getan. Sehe nicht ein, warum ich mich von denen verhören lassen muss.“
Die Türe von Richards Büro ging auf. Er steckte den Kopf auf den Gang heraus.
Zwei fortschrittliche Vampire hielten einen gewöhnlichen Vampir an den Armen gepackt und schleiften ihn mit sich. Paul zog die Türe des Regenerationsraums zu, damit Roman nicht gestört wurde.
„Was ist los?“
„Ich denke wir haben unseren Schuldigen. Wir sind ziemlich sicher, dass Kurt für den Toten verantwortlich ist.“
„Gar nichts habe ich mit irgendwelchen Toten zu schaffen!“, brüllte der gewöhnliche Vampir und reckte seine Nase schnuppernd in Andys Richtung. „Seit wann habt ihr Menschen hier unten? Fangt ihr jetzt schon an zu züchten?“
Unwillkürlich trat Julia einen halben Schritt nach vorne und schob sich zwischen Andy und den gewöhnlichen Vampir. Paul ging näher an Kurt heran. Dieser versuchte sich von den beiden fortschrittlichen Vampiren loszureißen, zappelte sie wild und trat nach ihnen. Paul blieb währenddessen ganz ruhig, sog den Geruch des gewöhnlichen Vampirs ein, prüfte ihn mit halb geschlossenen Augen. Richard trat lautlos hinter ihn.
„Eindeutig“, sagte Paul, tat einen Schritt zurück, machte gleichzeitig eine Vierteldrehung und stieß gegen Richards Arm.
„Oh, entschuldige.“
„Macht nichts. Bist du dir sicher.“
„Absolut sicher.“
„Das ist Schiebung. Eine Frechheit. Ihr braucht doch bloß einen Sündenbock. Ich habe mit dem Penner nichts zu schaffen.“
Blitzartig drehte sich Paul zu ihm um.
„Woher weißt du, dass es ein Penner war?“
„Weiß doch jeder. Pfeifen schließlich schon die Spatzen von den Dächern.“
„Tatsächlich? Von wem weißt du es?“
„Ist doch egal. Verdammt, ich weiß nicht, warum ihr euch so aufregt. War doch nur ein Penner!“
„Er war ein Mensch.“
„Der geht niemandem ab. Glaubt doch sowieso jeder, dass er sich zu Tode gesoffen hat. Nicht einmal die Polizei ist misstrauisch geworden.“
Richard runzelte die Stirn.
„Du bist hier in Salzburg. Hier reicht es nicht, seine Leichen unauffällig zu entsorgen. Du weißt das.“
„Verdammt! War doch nur ein Penner!“
„Warum hast du unser Territorium nicht verlassen? Vierundzwanzig Stunden sind mehr als genug Zeit.“
„Was soll der Scheiß? Lasst mich in Ruhe!“
„Du hast geglaubt, du bist klüger als wir. Du hast geglaubt, wir merken es nicht. Du hast geglaubt, du kommst damit durch.“
„Ihr Arschlöcher! Ihr Schweine! Das könnt ihr nicht machen.“
Paul fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Er hatte die Oberlippe hochgezogen, seine Nase kräuselte sich. Man merkte ihm an, dass er sich gar nicht wohl in seiner Haut fühlte.
„Der Geruch ist eindeutig derselbe. Da bin ich mir hundertprozentig sicher. Was sagst du?“
Richard nagte an seiner Unterlippe.
„Ich denke, er hat sich schon alleine durch seine Aussagen verraten.“
„Nein!“
Kurt wusste wohl, was ihn erwartete, denn er verdoppelte seine Anstrengungen, sich loszureißen und bedachte die fortschrittlichen Vampire mit einer Flut von Kraftausdrücken.
„Bist du soweit?“ fragte Richard.
„Ja“, antwortete Paul. Seine Stimme klang viel erster als sonst. Julia hatte sich vor Andy geschoben, um ihn abzuschirmen. Neugierig spähte er unter ihrem Ellbogen hervor.
„Doch nicht vor dem Kind!“, protestierte sie, aber zu spät.
„Lasst ihn los.“
Die beiden fortschrittlichen Vampire traten hastig zurück. Das Geschrei des gewöhnlichen Vampirs brach abrupt ab, als er in einer Stichflamme aufging. Andy rieb sich die Augen. Sie brannten von dem plötzlichen, hellen Licht. Nur ein dunkler Fleck erinnerte noch an Kurt. Ansonsten war es, als hätte es ihn nie gegeben. Julia schimpfte auf Paul ein. Ob er vollkommen wahnsinnig geworden sei, fragte sie ihn. Das arme Kind habe sicherlich den Schock seines Lebens. Sie könne es unter diesen Umständen den Eltern gegenüber nicht länger verantworten, es ans Institut mitzunehmen.
„Nein, Tante Julia“, schrie Andy entsetzt auf. „Ich verstehe das. Ich habe auch keine Angst und träume auch ganz bestimmt nicht schlecht. Onkel Paul konnte ihn doch nicht leben lassen, wenn er Menschen umbringt. Ich erzähle auch dem Papa ganz sicher nichts davon, aber bitte darf ich wieder mitkommen?“
In diesem Augenblick klingelte das Telefon in Pauls Büro.
„Moment.“
Er ging hinein und hob ab. Er lauschte kurz, sagte dann: „In Ordnung, schick ihn runter.“
Paul kam wieder auf den Gang. Richard sah ihn mit fragend gerunzelter Stirn an.
„Bastian probiert es wieder einmal.“
„Oh.“
Die Türen des Aufzugs gingen auf. Andy drängte sich nach vorne. Julia wollte ihn zurückhalten.
„Lass ihn doch“, meinte Richard. „Ich bin sicher, Bastian wird ihm gefallen. Wir sind ihm doch viel zu normal.“
Julia schnaubte entrüstet. Paul fing an zu lachen.
„Was ist hier los?“
Bastian versuchte lässig zu wirken, doch sein Tonfall war eine Spur zu hoch, er sprach zu schnell, seine Augen waren zu unruhig. Andy sah, wie sich seine Nase kräuselte, den menschlichen Geruch aufnahm, der die Luft erfüllte und die Geruchspartikel herausfilterte, die von der Verbrennung des Vampirs noch im Raum hingen.
„Wer?“, fragte er nur.
„Kurt.“
Paul sah Bastian prüfend an. Er hatte sein Haar schwarz gefärbt und sorgfältig zu beinahe zwanzig Zentimeter langen Stacheln gegelt. Als er den Kopf drehte, sah Andy ein paar blaue Strähnen. Bastians Coolness bröckelte ab, wie alter Verputz. Seine Finger krallten sich in den Kragen seiner schwarzen Lederjacke.
„Was hat er angestellt?“
Er brachte es nicht fertig, Paul in die Augen zu sehen, wirkte eher, als würde er einen Fluchtweg suchen.
„Du weißt nichts von dem Penner?“
„Welchem Penner, Mann? Ich komme direkt aus Bosnien.“
„Und wie war dein Urlaub?“
„Das meinst du aber jetzt nicht im Ernst, dass ich neben dem Kleinen anfangen soll zu erzählen? Ich finde es schon heftig genug, dass du ihn bei einer Exekution dabei sein lässt. Was erhoffst du dir davon? Einen besonders toughen Nachwuchsvampir, wenn er alt genug ist? Ist das irgendein besonderes Experiment? Wie wirkt sich die frühkindliche Prägung auf die Verwandlung zum Vampir aus – oder so etwas in der Art?“
„Ich bin kein Experiment“, mischte sich Andy ein. „Ich bin hier, weil ich bei Romans Tageslichttraining zusehen wollte.“
„Er hat es geschafft. Er hat es tatsächlich geschafft. Verdammt. Gibt es auch irgendwelche positiven Neuigkeiten?“
„Roman hat vorhin gerade zum ersten Mal getrunken.“
Andy strahlte, als sei das sein Verdienst.
„Julia, bist du dir sicher, dass mit dem Kleinen alles in Ordnung ist? Er ist nicht zufällig mal auf den Kopf gefallen? Vielleicht aus seinem Gitterbettchen gepurzelt oder so etwas ähnliches?“
Andy stampfte mit dem Fuß auf und reckte sich. Wie konnte es jemand wagen, der blau-schwarze Stacheln statt Haaren hatte und Sicherheitsnadeln im Ohr trug, ihm vorzuwerfen, er sei nicht normal.
„Ich bin nicht auf den Kopf gefallen! Ich habe lauter Einser in der Schule. Und ich schlafe auch schon lange nicht mehr im Gitterbett.“
Er reichte dem großgewachsenen, schlaksigen Punkvampir gerade mal bis zum Bauchnabel, trotzdem baute er sich vor ihm auf, stemmte die Hände in die Hüften und stieß die Luft mit einem heftigen Schnauben aus.
Bastian grinste.
„Der Kleine hat was von einem Terrier. Kurze Beine, hartnäckig und ein Selbstbewusstsein, das in keiner Relation zur Körpergröße steht.“
Leserstimmen
Habe den 1. Teil gratis auf meinen Kindel geladen und mir gedacht, schaun wir mal! Die Geschichte liest sich recht flott und leicht, es ist spannend genug, das ich mir gleich die Fortsetzung herunter geladen habe. Auch die folgenden Teile Blauschwarz ist die Nach Teil 1 und 2 kann ich nur weiter empfehlen. War angenehm, während der Schnee draußen fiel, das Buch vor dem Kaminofen zu lesen!!!
Endlich mal wieder jemand, der wirklich schreiben kann und nicht nur dahinplappert. Ich fand es unterhaltsam, spannend, mit Suchtfaktor. Ich hoffe noch viel von der Autorin zu lesen zu bekommen. :-)
Ich fand das Buch klasse beschrieben, ich konnte es gar nicht mehr aus den Händen legen.
Der Schluss war offenbleibend spannend auf Erwartung des 2 Teiles den ich mir sofort kaufen musste.
"Salzburgs Vampir Romanze" lässt sich nicht in die mittlerweile vielfältigen und doch so ähnlich klingenden Vampir-Roman-Reihen einsortieren. Die Ideen sind überraschend. Die Entwicklung der Geschichte hält aber doch die ganze Bandbreite von "menschlichen" Charakteren für den Leser bereit. Ich habe alle 4 Teile gelesen und war am Ende enttäuscht nicht noch ein paar Seiten mehr zu haben :)